(De)composed – SAP Commerce Cloud 2211
Eine beeindruckende Release Vorstellung. Weitreichende Auswirkungen für On-Premise Kunden und der Begriff Composable Commerce. Ich möchte in diesem Beitrag „(De)composed – SAP Commerce Cloud 2211“ als Dienstleister für die SAP Commerce Cloud, unsere Erfahrungen dazu teilen:
Das 2211 Release der SAP Commerce Cloud
Das 2211 Release ist, verglichen mit den vergangenen Releases, ein echter Meilenstein, weil hier ganz klar kommuniziert wurde: Ab dieser Version nur noch Cloud. Für On-Premise Kunden bedeutet das, das mit der 2205 Version die Reise endet – ausgenommen Support, Patches und Security Updates werden dann keine neuen Features dazukommen.
Detailliertere Information, was in diesem Release enthalten ist, findet man über die SAP-Hilfeseiten:
- Übersicht zu dem Release im SAP Help Portal
- Tabellarische Auflistung der neuen Features im SAP Help Portal
- Release Briefing als Webcast
Den Cloud Kunden wird in Aussicht gestellt, dass Releases zukünftig im Monatszyklus erscheinen. Neue Features erfordern keine Migration, sondern im Prinzip nur eine Aktivierung. Updates sollen dann vergleichbar zu den Patches einfach eingespielt werden. Das können wir zum aktuellen Zeitpunkt nicht beurteilen.
Technische Auswirkungen
Technisch bedeutet das aber in erster Linie, dass SAP die OCC API (das ist die Webservice Schnittstelle auf die Commerce Funktionalitäten der Plattform) schleunigst um sämtliche Commerce Funktionen erweitern muss. Diese müssen in Zukunft auch konsistent bleiben – bestehende Endpunkte dürfen dann nicht geändert bzw. müssen versioniert werden. Das ist über eine bereits pragmatisch gewachsene API (definitiv aber kein API-first Ansatz) sicherlich nicht unmöglich, aber trotzdem herausfordernd.
Composable Storefront der SAP Commerce Cloud
Ein weiterer Meilenstein ist, dass das Open Source Frontend Projekt – Spartacus in Form des neuen Composable Storefronts die Verantwortung von SAP geht. Als Kunde profitiert man davon, dass nun ein höherer Feature Umsatz im Frontend zu erwarten ist und das Frontend außerdem im Umfang des Supports für die SAP Commerce Cloud liegt.
Der Begriff „Composable“ ist hier vermutlich eher geschicktes Marketing, was sofort eine Assoziation zu dem Begriff Composable Commerce weckt; dazu etwas später mehr.
Bleiben wir beim Frontend und die Frage: Was ist daran composable? Eine klarstellende Antwort dazu haben wir in der Dokumentation nicht gefunden. Insofern wirft vielleicht das Setup etwas Licht aufs Dunkel.
Beim Setup des Frontends kann aus einer Anzahl an Features das Frontend composed werden. Z.B. das Assisted Service Modul oder das B2B Account Management. Das gab es bereits in den vorhergehenden Spartacus Versionen, jedoch in etwas technischerem Format.
SAP’s Setup für ein Composable Frontend
Jetzt liegt es an SAP, weitere, im Commerce Kern bereits enthaltene Funktionen im Frontend bereitzustellen, um Kunden ein einfaches und schnelles Setup der E-Commerce Umgebung zu ermöglichen.
Ein Beispiel für eine im Frontend noch nicht adaptierte Funktionalität ist das Ticketsystem und somit die Möglichkeit im Frontend Service Tickets zu erstellen bzw. einzusehen.
Die Funktion zum Erstellen und Kommentieren von Service Tickets liegt schon seit vielen Jahren im Kern von SAP Commerce und wurde auch schon in den Accelerator Storefronts umgesetzt. Das Accelerator Storefront ist eine stark gekoppelte Referenz-Frontend Implementierung, basierend auf Spring MVC und Java Server Pages (jsp). Acceleratoren gibt es schon seit mehr als 10 Jahren und entsprechend stark ist die Durchdringung bzw. das Standardangebot an Features. Auf dieser Technologie sollten keine neuen Projekte mehr basieren, sondern nur noch auf dem Composable Frontend.
Bedeutung für SAP Kunden und Nachverfolgung
Ab wann welche Features im Composable Frontend voraussichtlich bereitgestellt werden, können SAP Kunden und Partner im Roadmap Explorer nachverfolgen.
Für den Fall, dass die Frontend Bereitstellung eines Features über das Composable Storefront absehbar in zu weiter Zukunft liegt, müsste man das als Kunde selbst realisieren. Das hört sich jetzt erst einmal komplex an, ist es aber nicht zwangsläufig, weil ggf. nur eine entsprechende OCC-Schnittstelle gegen vorhandene Commerce Funktionalität implementiert werden muss und dann eine entsprechende Frontend Sicht. Sobald die Funktion dann im Standard bereitgestellt wird, sollte man zumindest die OCC-Schnittstelle wieder harmonisieren. Berechtigterweise und zu berücksichtigen ist, dass dieser Projektaufwand, beim Kunden liegt.
SAP antizipiert den Composable Commerce Begriff
Kommen wir auf die Frage nach Composable zurück. Bis zur Release Information von 2211 habe ich den Begriff nur im Kontext von Commerce, also Composable Commerce gehört. Vermutlich wird hinter dem Begriff Composable Commerce noch für eine Weile ein Deutungskampf stattfinden.
Ich folge in der Argumentation dem Ansatz das Große: MACH (Microservice basiert, API-First, Cloud native, Headless) aufs Kleine: Commerce herunterzubrechen. In dem Zusammenhang fällt auch oft der Begriff der Packaged Business Capability (PBC): die Gruppierung von Microservices zu einem Business Zweck. Ein lesenswerter Blogpost dazu: „What are Packaged Business Capabilities?“ von Hannah (Egan) Jarrett
Dahingehend würde ich auch im Commerce Context zustimmen, dass z.B. auf der Ebene von Warenkorb und Checkout, der Commerce Suche oder beispielsweise Promotionen solche PBCs anzusiedeln wären.
Warum die SAP Commerce Cloud an sich nicht Composable ist
Die SAP Commerce Cloud sehe ich nicht in diesem Umfeld. Sie bietet einen eher geschlossenen Ansatz über Module an. Verglichen mit anderen Commerce Anbietern ist hier ein unerschöpfliches Portfolio an B2B und B2C Commerce Funktionalitäten vorhanden sowie verschiedene Vertical Aspekte: z.B. Finance, Telco, Digital Business. Es ist jedoch nicht so einfach teilbar bzw. möglich auch einzeln abzurufen.
SAP’s Absicht
Das ist wahrscheinlich auch nicht die Absicht von SAP. In dem Webcast CXUnplugged: Composable Commerce Confessions greift Riad Hijal (Head von SAP Commerce) den Begriff auf. Sie antizipiert diesen in der Weise, dass die SAP Commerce Cloud eine E-Commerce Basis darstellt, die ein Maximum der klassischen aber vergleichbaren Anforderungen abdeckt und Kunden einen Mehrwert bzw. Marktvorteil durch die Umsetzung bzw. Einbindung von anderen Composable Lösungen vornehmen. Vor dem Hintergrund, dass Gartner Reporte in Zukunft eine hohe Komplexitätsbarriere vermuten, die einen beachtlichen Teil von Commerce Projekten zum Scheitern verurteilen, weil diese zu ambitioniert geplant werden, bietet SAP durch diese Herangehensweise einen sicheren Hafen, der für eine Vielzahl von Anwendungsfällen eine gute Basis bildet.
Zum Vergleich: Die Programmiersprache Java (erstes Release 1996) war auch nie die beste Programmiersprache. Ihr Erfolg basiert darauf, dass sie leicht zu lernen, relativ robust ist und vergleichbar die meisten Features für die Entwicklung von Enterprise Applikationen bereitstellt.
Zusammenfassung des Releases 2211 der SAP Commerce Cloud
Zusammenfassend halte ich die SAP Commerce Cloud nicht für einen Vertreter des Composable Commerce. Der Begriff Composable wird auch nur im Storefront verwendet. Das „neue“ Frontend ist in gewisser Weise über Features konfigurierbar. Die Ankündigungen des 2211 Releases sind vielversprechend. Alle Kunden in der SAP Commerce Cloud haben eine Bestätigung, dass sie den richtigen Weg gehen. On-Premise Kunden haben wiederum gute Gründe, den Weg in der SAP Commerce Cloud weiterzugehen.
geschrieben von David Scheffel